Barrierefreiheit für Websites und Online-Shops wird für Privatwirtschaft ab 2025 zur Pflicht

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), welches bereits 2021 erlassen wurde und damit eine EU-Richtlinie erfüllt, tritt am 25. Juni 2025 in Kraft. Es setzt eine Europäische Barrierefreiheitsrichtlinie (European Accessibility Act EAA) um, die unter anderem Betreiber von Online-Shops und Websites ab Juni 2025 zur Umsetzung diverser Maßnahmen verpflichtet.

Wirtschaftliche Aspekte und “Wieso sollen wir überhaupt unsere Seite barrierearm gestalten?”

Im Jahr 2017 gab es in Deutschland 13,04 Millionen Menschen mit Beeinträchtigung, davon wiederum hatten 7,8 Millionen eine anerkannte Schwerbehinderung: Darunter 4.641.000 Menschen mit einer körperlichen Behinderung, 351.000 Menschen mit Blindheit oder einer Sehbehinderung, 318.000 Menschen mit einer Sprach- oder Sprechstörung, Taubheit, Schwerhörigkeit oder mit Gleichgewichtsstörungen, 644.000 Menschen mit einer psychischen Behinderung und 310.000 Menschen mit einer kognitiven Behinderung.

Die Ergebnisse im Rahmen des "So barrierefrei sind Online-Shops in Deutschland" zeigen, dass 61 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigung sehr häufig oder häufig online einkaufenDem gegenüber stehen 51 Prozent der Menschen ohne Beeinträchtigung, die dies tun.

Menschen mit Beeinträchtigungen nutzten also überproportional die Möglichkeiten für Online-Shopping. 

Laut einer Untersuchung von Google und der Aktion Mensch aus Juni 2023 sind 75 % der großen deutschen Webshops nicht barrierefrei.

Rechtliche Grundlagen

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde bereits am 16.7.2021 erlassen und tritt zum 25.06.2025 in Kraft. 

Das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) enthält vor allem Informationen zu den Barrierefreiheitsanforderungen bei Produkten und Dienstleistungen inkl. Websites und Onlineshops. Es passt die bisherigen Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV), der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) an, die Richtlinie 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 an.

Digitale Barriefreiheit: FAQ für Websites und Online-Shops

Welche Übergangsfristen gibt es für das BFSG?

Webseiten und Online-Shops fallen nicht unter diese Übergangsfristen und müssen ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei gestaltet sein.

Für welche Webseiten gilt das BFSG?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz regelt die Anforderungen hinsichtlich der Barrierefreiheit auf Webseiten von

  • Banken, Online-Banking, Bankdienstleistungen
  • Personenbeförderungsdiensten im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr (ausgenommen ist hier nur der Regionalverkehr)
  • Telekommunikationsdiensten
  • Online-Shops und E-Commerce – auch wenn die verkauften Produkte selbst nicht in den Anwendungsbereich des BFSG fallen.
  • Online-Terminbuchungen wie etwa Hotel- und Reisebuchungen oder Terminbuchungen.

Wann erfüllt man Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr?

Allgemein elektronischer Geschäftsverkehr ist definiert als Verkauf oder Erwerb von Waren oder Dienstleistungen über das Internet (computergestützte Netze). Ob die Auslieferung/Erbringung online oder offline erfolgt, ist dabei egal. Nur die Buchung bzw. der Kauf muss online sein.

Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr sind daher auch die Bestätigungen von Reisebuchungen o.ä. Ausnahme sind Bestätigungen, die von Hand geschrieben sind (z.B. manuell getippte E-Mail). Unter Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr fallen automatische bzw. vollständig elektronisch erbrachte Bestätigungen, Terminbuchungen etc. Ist das nicht der Fall, ist man nicht vom BFSG betroffen.

Ausgenommen sind hier nur Kleinstunternehmen, die auf ihrer Webseite Dienstleistungen anbieten (z.B. ein Friseur mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von unter 2 Millionen, der Terminbuchungen auf der Webseite anbietet).

Inwieweit ist eine reine Info-Webseite oder Leistungs-Webseite (ohne direkte Terminbuchung) eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr?

Webseiten zur Präsentation von Produkten / Dienstleistungen oder Blogs, auf denen Produkte oder entsprechende Dienstleistungen nicht gegen Entgelt erworben bzw. gebucht werden können, sind nicht vom Anwendungsbereich des BFSG erfasst. Damit eine Webseite unter die Definition „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“ fällt, müssen Angebote vorgestellt werden und (!) Buchungen oder Zahlungen getätigt werden können. 

Gilt das BFSG nur im b2c-Bereich, oder auch im b2b-Bereich?

Im BFSG selbst ist definiert, dass die Anforderungen grundsätzlich nur Verbraucherprodukte und solche Dienstleistungen erfüllen müssen, die für den Verbraucher erbracht werden. Das BFSG gilt also grundsätzlich nur für Online-Shops oder Webseiten im B2C-Bereich. Allerdings muss es klar ersichtlich werden, dass es sich dabei um B2B-Shops handelt und nicht an Verbraucher verkauft wird.

Welche Änderungen müssen auf einer betroffenen Webseite umgesetzt werden?

Prinzipiell muss eine vom BFSG betroffene Webseite ganzheitlich barrierefrei gestaltet werden. Es gibt jedoch ein paar Ausnahmen:

  • Inhalte, die als zeitbasierte Medien gelten (z.B. aufgezeichnete Audio- oder Video-Dateien)
  • Inhalte, die nach dem 28. Juni 2025 nicht mehr überarbeitet oder aktualisiert werden. Fokus liegt hierbei aber darauf, dass der ganze Shop bzw. die ganze Webseite ruhen muss, nicht nur einzelne Blogbeiträge nicht mehr überarbeitet werden.
  • Inhalte von Dritten, die vom Inhaber weder finanziert noch entwickelt werden noch, dessen Kontrolle unterliegen.

Achtung: Von den oben genannten Ausnahmen ausdrücklich nicht erfasst ist Drittwerbung (Banner, Pop-ups, etc.) und Drittanwendungen (Cookie-Consent-Tools, interaktive Funktionen), weil deren Kontrolle beim Inhaber liegt.

Wie kann ich meiner Website einer ersten Prüfung unterziehen?

Ein Hinweis vorweg: Die nachfolgend genannten Tools können nur rein technische Merkmale prüfen. Häufig sind jedoch technische Merkmale auch im Kontext mit Inhalten zu betrachten. So können etwa Bilder mit alternativen Texten (Alt-Text) ausgestattet sein, wenn dieser aber nicht passend zum Bild sind oder keine Hilfestellung für Screenreader bilden, ist die Barrierefreiheit auch nicht gegeben. Dies können Tools zur Prüfung nicht erkennen.

Grundsätzlich können Automaten nur etwa ein Drittel der Kriterien automatisch überprüfen.

Prüfungstools sind daher nur für einen ersten, oberflächlichen Check zu nutzen. 

Lighthouse Check im Google Chrome: In den Entwicklerwerkzeugen von Google Chrome Browser gibt es den sogenannten Lighthouse Check. Hier ist ein Teilbereich auch für Barrierefreiheit vorhanden. Hierbei werden Basis-Merkmale wie Kontraste, Schriftgrößen oder auch Labels und die generelle Verfügbarkeit von Alt-Texten geprüft.

WAVE Accessibility Extension für Firefox oder Google Chrome: Das Wave-Tool prüft auf Knopfdruck Kontraste, Labels und strukturierende Elemente und markiert diese als Fehler, Warnungen oder Features. 

Axe-Tool für Firefox oder Google Chrome: Das Axe-Tool prüft eine Vielzahl von Barrierefreiheitskriterien auf der Website. Es verfügt über eine Highlight-Funktion, mit der direkt die betroffenen Stellen markiert werden können. Konkrete Handlungsempfehlungen zur Behebung der identifizierten Problemstellen stellen eine gute Hilfestellung für Entwickler und Website-Betreiber dar. Auf Wunsch lassen sich sogar noch Best Practices, wie über die Anforderungen von WCAG 2.1 AA hinausgehen, einblenden und geben wertvolle Tipps zur weiteren Optimierung.   

Lösungsansätze zur Erfüllung des BFSG

Die von web-vision eingesetzten Open-Source Lösungen Magento - für Online-Shops - und TYPO3 für Content-Management Websites, bieten Möglichkeiten zur Umsetzung der rechtlichen Bedingungen und können ohne Probleme auch nachgerüstet werden. 

Je nach Umfang der Website bzw. des Online-Shops kann der Aufwand zur Integration mehr oder weniger groß sein und benötigt damit eine individuelle Prüfung und Einschätzung. Die meisten Entwicklungen beziehen sich dabei auf die Darstellung und Nutzbarkeit der Website für Enduser / Kunden mit Einschränkungen und müssen daher im Rahmen der Frontend-Entwicklung umgesetzt werden. 

Weitere Arbeitsanweisungen oder auch Schulungen von Redakteuren bzw. Editoren wird im weiteren Betrieb jedoch vom Betreiber erwartet. Beispielhaft seien hier die sogenannten Alt-Texte für Bilder erwähnt, welche eine kurze, textliche Zusammenfassung "Was passiert im Bild?" des dargestellten Bildes übernimmt. Ausnahmen hier sind lediglich reine dekorative Schmuckbilder. 

So ist es beispielsweise nicht zulässig, reine Marken- oder Produktnamen zu verwenden, welchen keinen Aufschluss über das gezeigte Bild geben. 

Für TYPO3 gibt es aktuell bereits ein für Barrierefreiheit BITV zertifiziertes Paket, das sogenannte Introduction Package. Es beinhaltet eine Standard-Installation inklusive üblicher Inhaltselemente und kann damit als einfache Grundlage für die Erstellung einer neuen, kleinen TYPO3 Website dienen. Für bestehende Websites empfiehlt sich dieser Ansatz jedoch nicht, da zu viele angrenzende Migrationsaufwände entstehen würden. 

Für Magento Online-Shops bietet das sogenannte Hyvä Theme, welches bislang hauptsächlich für schnelle Ladezeiten, kurze Entwicklungszeiten und damit Time-to-Market bekannt war, ab Version 1.3. Das Hyvä-Theme (Version 1.3.0 und höher) implementiert Funktionen für Barrierearmut gemäß den Anforderungen der WCAG (Web Content Accessibility Guideline) 2.1 Stufe AA.

Warnung vor vermeintlich “einfachen” Lösungsansätzen

Diverse Marktteilnehmer versprechen mit „einfachen“ und „schnellen“ Lösungen eine Barrierefreiheit-Zertifizierung, teilweise auch durch den Einsatz von sogenannten Overlay-Tools, welche angeblich nur durch die Integration eines JavaScript komplette Websites barrierefrei machen sollten. 

Diese Tools können aber prinzipbedingt nicht alle Probleme beheben

Eine beispielhafte Stellungnahme zu diesen Overlay-Tools finden Sie im Artikel “Overlays für mehr Barrierefreiheit? Warum das keine gute Idee ist” auf bitvtest.de.

Fördermöglichkeiten für barrierefreie Websites und Online-Shops

Für die Umstellung von Websites und Online-Shops bietet die Aktion Mensch das Förderprogramm Barrierefreiheit für alle, mit einer Mikro-Förderung bis zu einer Höhe von 5.000 EUR bei einer 100 % Förderung. 

Bei Kosten bis zu 5.000 Euro ist kein eigenes Geld notwendig.

Weiterhin bietet die Aktion Mensch das Förderprogramm Digitale Teilhabe für alle. Hier wird auch die „Programmierung und Gestaltung von Webseiten“ inklusive Medienarbeit gefördert. 

Der maximale Zuschuss beträgt hier 20.000 EUR und Vorhaben zur inklusiven Medienarbeit bis zu 15.000 Euro. Davon dürfen maximal 5.000 Euro für technische Ausstattung anfallen. Zusätzlich können zur Herstellung der Barrierefreiheit maximal 5.000 Euro beantragt werden. 

web-vision hilft Ihnen bei der Erfüllung des BFSG

Gemeinsam mit unserem FGTCLB Agenturnetzwerk bieten wir Barrierefreiheit-Audits für Websites und Online-Shops an. Durchgeführt werde diese von unserem Accessibility-Experten und Buchautor Marc Haunschild. Er prüft hierbei eine Website auf Schwachstellen, Low-Hanging-Fruits (= einfache Maßnahmen) und gibt in einem umfassenden Report Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen, welche dann von unseren Entwicklern entsprechend umgesetzt werden können. 

Die zuvor dargestellten Lösungsansätze zur Umsetzung einer barrierefreien Website stellen darüber hinaus eine gute Grundlage für die Umsetzung dar. 

Auf Wunsch kann für eine Website abschließend eine BITV-Zertifizierung mit dem renommierten BIK-BITV-Prüfzeichenerfolgen. Marc Haunschild führt als autorisierte und qualifizierte Prüfstelle den Test durch. Die zertifizierten Websites werden dann auf www.bitvtest.de inklusive Prüfprotokoll veröffentlicht.

Gerne begleiten und helfen wir Ihnen auch bei der Beantragung der Förderungen.

Quellen